Mehr Radfahrprüfungen führen zu weniger Zusammenstößen im Verkehr. Kinder, Eltern und Lehrer:innen müssen aktiv werden. Doch die Herausforderungen sind komplexer, besonders in Wien, wie die Praxis zeigt.

»Um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer:innen zu erhöhen, möchte sich die Wiener Volkspartei dafür einsetzen, allen Viertklässler:innen in Wien die Möglichkeit zu bieten, eine Radfahrprüfung zu absolvieren. … (und) fordere deshalb die Radfahrprüfung als fixen Bestandteil des Verkehrsunterrichtes.

Dies forderten Vertreter:innen der ÖVP Anfang des Sommers bei einer Pressekonferenz. Diese scheinbar logische Forderung greift jedoch zu kurz. Radfahren lernt man nicht aus Büchern. Gute Infrastruktur und praktische Ausbildung müssen Hand in Hand gehen.

Wien ist speziell

In Wien haben wir eine besondere Situation, die sich deutlich von den Bundesländern unterscheidet: Viele Kinder kommen hier gar nicht mit dem Radfahren in Berührung. Gleichzeitig gibt es ein niederschwelliges Angebot an Radfahrkursen für Volksschulklassen, das jedoch auffällig wenig gebucht wird. Die Kurse am Naschmarkt und in Kaisermühlen bleiben öfters ungenutzt. Im Gegensatz dazu sind die Kurse in den Bundesländern gut besucht, wie ein Austausch mit anderen Radfahrschulen zeigt.

Man könnte daraus schließen: Dort, wo der Bedarf am größten ist, wird das Angebot nicht angenommen. Das spiegelt sich auch in der Anzahl der bestandenen Radfahrprüfungen wider. In Wien hängt es stark davon ab, ob sich die Lehrkraft dafür interessiert und die Klasse für einen Radfahrkurs anmeldet. Viele Wiener Schulen lassen das Thema völlig außer Acht. Dadurch fehlt die Eigendynamik: Wenn eine Klasse einen Kurs bucht, folgen meist auch andere Klassen.

Was brauchen Kinder? Was brauchen Eltern?

Wenn mehr Schüler:innen die Freiwillige Radfahrprüfung bestehen sollen, reicht es nicht, sie einfach zur Prüfung anzumelden. Sind die Kinder schuld? Nein. Die Vorbereitung ist unzureichend. Viele Kinder brauchen mehr Zeit. Zum einen, weil viele Familien nicht Rad fahren, auch nicht in der Freizeit. Zum anderen, weil der Großstadtverkehr als ungeeignet für Kinder wahrgenommen wird. Radfahren in Wien wird oft als sehr gefährlich wahrgenommen, viele Lehrer:innen haben ebenfalls Angst davor. In Niederösterreich hingegen begrüßen Schulen das Üben im Straßenverkehr. 

Es braucht Radinfrastruktur und Ausbildung. Was wir den Kindern anbieten, ist viel zu wenig. Kinder brauchen Zeit zum Üben. Es geht nicht darum, etwas aus dem Heft zu lernen – das ist weit entfernt von der Verkehrsrealität. Es braucht Ausbildung und mehr Vorbereitung. Überall wo mit 50 km/h gefahren wird, ist keine förderliche Lernumgebung für Kinder – eingehaltene 30 km/h wären weitaus besser. Es braucht Räume, in denen Eltern mit ihren Kindern gut üben können.

Stakeholderprozess im Projekt FreiRad

Robert Fuchs von Schulterblick nahm 2022 am Projekt »FreiRad – Freiwillige Radfahrprüfung für alle Kinder!?« teil. Auch Vertreter:innen der Bildungsdirektion, Verkehrspsychologie, Elternvereine und Verkehrserziehungskoordination der Polizei waren dabei. Das Projekt stellte die Frage: Angenommen, die Radverkehrsinfrastruktur wäre optimal – würden dann alle Radfahren? Wo liegen die Hindernisse, abseits der oft mangelhaften Infrastruktur, die mehr junge Menschen vom Radfahren im Alltag abhalten?

FreiRad erarbeitete 46 Handlungsempfehlungen, die sechs Themen zugeordnet sind. Diese Empfehlungen fördern die Vision einer flächendeckenden Radfahrprüfung für alle Kinder mit vielseitigem Übungsangebot, wie sie wie folgt anschaulich gemacht wird:

Radfahrprüfung, Radfahr- und Rollerkurse, Tipps für das Laufrad – wie auch Informationen zum verpflichtenden Radfahrkurs für den Autoführerschein: Alles ist an einer Stelle zu finden mit Ansprechpersonen. Alle Verkehrsmittel für Alltagswege sind eingebettet in die Mobilitätsbildung, die bereits im Kindergarten beginnt – finanziert vom Gesundheits-, Bildungs- und Klimaschutzministerium gemeinsam.

Von Montag bis Freitag radeln in zahlreichen Städten Österreichs viele Kinder gemeinsam mit ihren Eltern in die Schule, im Radkonvoi, begleitet von der Polizei, ebenfalls am Rad: Das ist geschützter Raum zum Üben, der aufmerksam macht und Bewusstsein bildet – für nachhaltige Mobilität im Alltag.

Was wünschen sich unsere Radfahrlehrer:innen?

Was wünschen sich unsere Radfahrlehrer:innen? In Portraits haben wir sie gefragt: »Was wünschst du dir für das Radfahren im Straßenverkehr?« Sie nannten die Infrastruktur, in die mehr investiert werden sollte, da dies auch Klima- und Gesundheitsprobleme löst. Die Infrastruktur sollte für Radfahrer:innen angenehmer und nutzbarer sein, einschließlich der Radabstellplätze. Es braucht mehr Platz und einen Umgestaltungsprozess, an dem alle beteiligt sind. 

Angepasste Regeln für das Radfahren, denn Ampeln gibt es wegen der Autos. Mehr Miteinander zwischen allen Verkehrsteilnehmer:innen. Mehr Kommunikation, Kooperation und Freude am Miteinander.

»Wir alle bewegen uns tagtäglich erfolgreich gemeinsam.«

Denn damit gehen mehr Menschen zu Fuß oder fahren mit dem Rad. Das verändert die Straßen und das Gefühl in der Stadt.

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