Rücksicht kann ich nehmen, Miteinander hingegen kann ich gestalten. Diese Fähigkeit lässt sich vermitteln und bereitet Kindern im Radfahrkurs viel Freude. Aktiv ein Miteinander gestalten ist eine erlernbare Kompetenz!

»Die Menschen sind halt so! Die führen sich halt so auf!« – »Manche zumindest«, denken die einen, »Viele oder die meisten!«, andere. Unsere Einschätzung wird wohl je nach unseren Tageserlebnissen im Stadtverkehr unterschiedlich ausfallen. Die Frage dahinter: Wie bereiten wir Menschen auf den Verkehrsalltag vor?

In der Schule lernen wir bald das Miteinander durch Zusammenarbeiten kennen. In der Radfahrprüfung spielt es zumeist keine Rolle.

Wer über Miteinander im Straßenverkehr spricht, wird oft nicht ernst genommen. Wenn Menschen durch die Stadt rasen, dann ist das ein Zeichen von Kompetenzmangel – solche Aussagen irritieren manche oder werden als frommer Wunsch abgetan.

Hingegen Kinder verstehen Miteinander sehr schnell und haben oft Spaß daran. Der Grund: Sie tun es ja für sich selbst, statt nur auf andere Rücksicht zu nehmen.

Rücksicht nimmt man auf andere. Das Miteinander gestaltet man auch für sich selbst – vielleicht sogar vor allem für sich selbst.

Ich kann meine Wege so gestalten, dass sie mir angenehm sind. Aktiv gestalten ist eine Kompetenz, die ich nutzen kann, um mich mit anderen zu verständigen. Wer das versteht, kommt ohne Rücksichtnahme aus. 

Miteinander kann man vermitteln und lernen

Die Begegnung mit Fußgängern kommt in der Radfahrprüfung derzeit kaum vor. Wie fahre ich an einer Fußgängerin vorbei, wie fühlt sich das an? Kinder im Radfahrkurs sagen schnell: »Führs’ net nieder!« Ein größerer Schritt ist: »Wie fühlt es sich für die anderen an, wenn ich knapp vorbeifahre oder mit gutem Abstand einen Bogen um sie mache?«

Bremsen ist ein weiteres Beispiel: Knapp und schnell bremsen macht Spaß, aber wie fühlt es sich für die anderen an? Was bedeutet es, wenn ich an eine Kreuzung fahre und im letzten Moment bremse? – Da kennt sich keiner aus!

Es geht um den Perspektivenwechsel: Wie ist es für die anderen? Kinder verstehen das schnell, setzen es um – und es macht ihnen Spaß! Mit dem neuen Wissen liegt es nun in ihrer Kompetenz, den Straßenverkehr mitzugestalten.

Ein weiteres Beispiel ist der Zebrastreifen. Ich kann vor oder nach dem Fußgänger drüberfahren, um nicht anhalten zu müssen. Oder ich kann anzeigen, dass ich stehen bleiben will. Kinder freuen sich, wenn Fußgänger:innen kommen. Mit ihnen können sie kommunizieren, was Freude macht. Fußgänger:innen bedanken sich, weil sie anhalten oder die Kinder bedanken sich, weil sie durchgewunken werden. Oft muss keiner von beiden stehen bleiben, weil es sich entspannt für beide ausgeht – durch Kommunikation.

Miteinander ist Freude am Kommunizieren

Andere wahrnehmen, um kommunizieren zu können, vermittelt auch eine sinnvolle Geschwindigkeit. Denn Kommunikation braucht Zeit, und dafür fahre ich durch die Stadt langsamer, weil mir Menschen begegnen.

Für die Mobilitätswende ist es wichtig, dass sich auch etwas ändert in der Art, wie wir uns begegnen.


Der Bedarf für mehr Miteinander und den dafür nötigen Kompetenzaufbau ist da. Und es ist etwas, das schnell vermittelt werden kann.

Die Idealvorstellung ist: Ich bin unterwegs im Stadtverkehr. Es ist normal, dass andere auch unterwegs sind. Doch viele stellen sich vor: Der Weg ist frei. Diese Vorstellung stammt aus dem Sportlichen, wenn ich in meiner Freizeit eine Ausfahrt mache. Im Stadtverkehr ist die Realität: Ich werde auf viele Leute treffen. 

Miteinander ist einfach angenehm

Die anderen Kompetenzen helfen uns, das umzusetzen: Fahrtechnik, Kommunikation und Regelwissen.

Oft gelingt Kooperation, und oft fällt es uns nur auf, wenn sie scheitert. Es liegt an uns, zu erkennen, dass wir mehr kooperieren als gegeneinander arbeiten. Miteinander ist so angenehm, dass das Gegeneinander stärker auffällt.

Wer das Unvermögen anderer als Kompetenzmangel sieht, tut sich leichter. Vorfälle nimmt man dann weniger persönlich, außer wenn das Leben bedroht ist. Generell lebt es sich angenehmer mit der Haltung: »Die müssen das halt noch lernen!« Da wäre es gut, wenn wir Kindern das Miteinander im Verkehr im großen Stil vermitteln: Denn ihre Freude an Kommunikation und Kooperation könnte uns alle anstecken und in andere Lebensbereiche ausstrahlen.

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