Wir stellen uns vor! Einblicke, wer die Menschen bei Schulterblick sind und was sie antreibt.
Alma, Anfang 30, ist Ernährungswissenschaftlerin und verfasst im Moment ihr erstes Buch über Fermentation. Fahrradfahren in der Stadt bedeutet für sie Freiheit und Selbstwirksamkeit. Der Wunsch, dieses Gefühl und Wissen weiterzugeben, entstand, als sie nach Wien zog – so fand sie ihren Weg zu uns.
Wie hat Schulterblick dein Leben, deine Welt, verändert?
Schulterblick hat mir ermöglicht, ein Herzensthema zum Beruf zu machen.
Ich habe tolle Leute kennengelernt, denen Radfahren auch so am Herzen liegt, dass immer mehr Leute im Straßenverkehr unterwegs sein wollen und können. Es ist toll, eine Community zu haben mit ähnlichen Werten und zu merken, dass man an einem Strang zieht.
Es ist mir zunehmend bewusst geworden, dass ich als Radfahrerin tatsächlich ein vollwertiges Mitglied im Straßenverkehr bin. Gewusst habe ich das davor auch, aber seit ich bei Schulterblick Radfahrlehrerin bin, fühlt es sich noch mehr so an.
Wie bist du zu Schulterblick gekommen?
Ich bin davor schon jahrelang Rad gefahren und war auch Radbotin. Ein Freund von mir hat das gewusst und davon gehört, dass es diese Ausbildung gibt. Ich habe damals überlegt, was ich machen soll, hatte kleinere Jobs und viel Zeit und war auf der Suche nach irgendwas. Da ist die Ausbildung gerade recht gekommen.
Ich habe gelesen, was die Philosophie von Schulterblick ist, bevor ich die Ausbildung gemacht habe. Die anderen Anbieter habe ich auch gesehen, aber zu keinem einen speziellen Bezug gehabt. Ich habe mir das alles durchgeschaut und gedacht, das ist die sympathischste Radfahrschule. Die Homepage hab ich cool gefunden, die Leute haben sympathisch ausgeschaut. Die Worte haben resoniert mit mir und darum habe ich mich dort angemeldet. Schon der Name war am nettesten und kreativsten.
Welchen Bezug hattest du davor zum Radfahren?
Ich bin in einem Bergdorf aufgewachsen, da ist es immer entweder steil rauf oder runter gegangen. Im Tal war ich mit dem Fahrrad innerhalb von fünf Minuten, aber rauf bin ich die 6 km nicht gefahren. Außer zum Wutabbau, da habe ich so viel Energie gehabt. Und als ich oben angekommen bin, war ich gar nicht mehr wütend, weil alles in Muskelkraft gegangen ist. Ich habe mich gefreut, weil ich das Ziel erreicht habe und bin als Belohnung wieder runter gerast – ohne Hände! Das war schon ein kleiner Nervenkitzel.
In Wien kam mir Radfahren anfangs ein bisschen gefährlich vor. Die Straßen waren viel größer als ich gewohnt war, die Kreuzungen waren voll irre. Aber trotzdem hat es mich immer gereizt, dass ich da Rad fahre. Ich habe mir gedacht, das wäre cool, nicht auf die Öffis angewiesen zu sein oder nur zu Fuß gehen zu können. Zuerst habe ich mich vorgetastet mit den Citybikes. Ich habe mir gedacht, ich kauf mal kein Rad, weil vielleicht traue ich mich ja eh nicht dabei zu bleiben. Ich bin dann immer nur Sonntag morgen gefahren, da war am wenigsten Verkehr. Und dann bin ich einmal mit einer Freundin, die ein bisschen draufgängerischer war als ich, in der Nacht mit dem Rad gefahren. Luisa ist vorgefahren und ich mit dem Citybike hinten nach – da ist der Knopf aufgegangen. Das hab ich voll cool gefunden, wie die selbstbewusst durch die Straßen fährt. Dann habe ich ein Rad gekauft und bin selbst gefahren. Die Angst war wie weggeblasen.
Kurz darauf, nachdem ich meine Radfahrliebe in der Stadt entdeckt habe, habe ich gemerkt, dass viele von meinen Freund:innen sich das noch nicht zutrauen und gedacht, vielleicht müssen die auch mal mit der Luisa oder mit mir mitfahren. Darum habe ich dann mit den Leuten voller Begeisterung Radausflüge gemacht, in der Hoffnung, dass sie auch so ein Erlebnis haben wie ich. Das war schon der erste Schritt in Richtung Radfahrlehrerin.
Was ist dir von der Ausbildung besonders in Erinnerung geblieben?
Mir ist von der Ausbildung in Erinnerung geblieben, dass die Ausbildungsleiter:innen uns vermittelt haben, wie wertvoll und sinnvoll das ist, was wir gerade lernen. Dass das etwas ernst zu nehmendes ist und dass sie es selber wichtig finden und viel Herz drin steckt.
Mir ist auch in Erinnerung geblieben, dass man sehr wertschätzend mit allen umgegangen ist. Dass wir schon am ersten Tag alle mit einbezogen wurden und Interesse da war, was da von unserer Seite für Assoziationen kommen, die noch nicht im Radfahrlehrer:innen-Business drinnen sind. Wie wir Sachen empfinden und machen würden, was wir für Ideen haben. Das ist mir von Anfang an aufgefallen und habe ich natürlich super gefunden.
Was ist einzigartig an unserer Radfahrschule?
Die Stadtausfahrten sind einzigartig. Durch die Stadtausfahrten hab ich gelernt, dass man sich nicht nur auf den sichersten, wunderschönsten Radwegen bewegen kann. Wenn man die Mobilitätskompetenz hat, kommt man überall hin, wo man will mit dem Rad.
Schulterblick legt da viel Wert drauf und das macht es einzigartig.
Was hat dich an der Arbeit als Radfahrlehrerin überrascht? Was ist einzigartig an dem Beruf?
Am meisten überrascht hat mich, dass die Stadtausfahrten so wichtig sind und man wirklich ermutigt wird als gleichberechtigte:r Verkehrsteilnehmer:in zu fahren. Dass man sich nicht verstecken muss vor den Autos und ihnen immer Vorrang geben muss. Dass gelehrt wird, wie man das kann, hat mich überrascht. Ich habe mir eher gedacht, dass man dazu ermutigt wird, nur Routen mit Radwegen zu benutzen, um dem motorisierten Verkehr Platz zu machen.
Ich hab sonst einen Bürojob, also für mich ist anders, dass man draußen ist, dass man sich bewegt. Ich habe in meinen anderen Berufen nicht so eine Lehrerinnen-Funktion, wo ich etwas anleite. Für mich persönlich ist es auch einzigartig, dass ich mit Kindern arbeite.
Warum fährst du Fahrrad und was hat sich verändert, seit du bei Schulterblick bist?
Radfahren ist für mich eine der tollsten Sachen.
Radfahren ist einfach Freiheit. Es ist Selbstwirksamkeit, weil ich beim Radfahren buchstäblich erfahre, dass ich aus eigener Kraft vorankomme.
Ich kann viel selbst entscheiden und bin unabhängig, z. B. von Zeitplänen. Es ist egal, ob irgendwo eine Baustelle ist, ich fahre einfach einen anderen Weg. Ich kann Pausen einlegen, wann immer ich will. Wenn es mir irgendwo gefällt, dann bleibe ich, hocke mich kurz in die Sonne und fahre dann weiter.
Ich finde es auch anarchistisch. Das heißt nicht, dass es keine Gesetze gibt. Sondern es heißt für mich, dass auch ein Mensch wie ich, der nicht so viel Geld hat, ein Rad haben und mobil sein kann. Ich hatte nie die tollsten Luxusräder, sondern alte Klapperräder vom Flohmarkt um hundert Euro.
Für mich hat es eine politische Kraft, das Radfahren. In dem Sinne, dass man sich von vielen Sachen unabhängig macht. Ich muss kein Ticket kaufen, mich nirgends registrieren, ich habe nicht mal ein Kennzeichen. Ich bin eigentlich inkognito – das ist schon cool. Und wie durch ein lustiges, zufälliges Wunder, ist das auch für die Welt überhaupt nicht schlimm. Ich tue niemandem weh, ich mache nichts kaputt, ich mache keinen Lärm, keinen Gestank, keine Abgase, ich brauche keine riesige Straße, sondern nur ein kleines Wegerle.
Ich finde, so sollten viele Sachen in der Welt geregelt sein. So dass du selbst die Möglichkeit hast, das zu machen, was du möchtest, ohne jemand anderem etwas wegzunehmen oder kaputtzumachen. Das wird beim Radfahren gut verschränkt. Wenn du Auto fährst, hast du vielleicht die Freiheit für dich, aber es geht auf die Kosten der Freiheit von anderen. Darum finde ich, ist Radfahren anarchistisch.
Und es macht Spaß natürlich!
Was wünschst du dir fürs Radfahren im Straßenverkehr?
Ich wünsche mir, dass es noch normaler wird. Dass alle Verkehrsteilnehmer:innen es noch gewohnter sind, dass Radfahrende unterwegs sind. Dass es mehr Akzeptanz gibt, von allen Seiten und man sich gegenseitig wahrnimmt.
Gleichzeitig wünsche ich mir, dass die Bedingungen für Radfahrer:innen besser werden. Damit man noch unbeschwerter unterwegs sein kann. Das heißt, es muss die Infrastruktur her: Straßen und Plätze müssen so gestaltet sein, dass es für Radfahrende angenehm ist und sie sichtbar sind. Es muss Abstellmöglichkeiten geben. Es wäre gut, wenn man Radfahren noch besser mit den Öffis verbinden könnte. Wenn es zum Beispiel erlaubt wäre, mein Rad auch in der Rush Hour mit in die U-Bahn zu nehmen, wenn genug Platz ist.
Außerdem finde ich es nicht sinnvoll, dass es teilweise für Radfahrende genau die gleichen Verkehrsregeln und Strafhöhen gibt, wie für Autofahrer:innen. Wenn zum Beispiel Radfahrende bei einem Stoppschild nicht stehen bleiben, ist die Gefahr, dass dadurch jemand schwer verletzt wird, nicht so hoch, als wenn ein SUV das Stoppschild überfährt. Die Strafe ist aber die gleiche. Radfahrer:innen sind tendenziell auch Leute, die 75 Euro härter treffen als eine:n SUV-Fahrer:in. Diese Strafe ist also für Radfahrende zu hoch oder für Autofahrende zu niedrig – finde ich. Wie Gesetze gestaltet sind und vollzogen werden, spiegelt wider, was für eine Wertschätzung die einzelnen Verkehrsteilnehmer:innen haben. Man sagt zwar immer, weniger Autos und mehr Radfahrende wären gut, aber dann sollte man es auch attraktiver machen.
Was tust du, außer den besten Job der Welt auszuüben, sonst noch gern?
Ich bin Katzen-Insulin-Praktikantin, meine Katze hat Diabetes, also Teilzeit-Tierpflegerin. Ich engagiere mich in der Wiener Blues-Tanz-Szene und Zeichnen tu‘ ich auch gern.
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