Wir stellen uns vor! Einblicke, wer die Menschen bei Schulterblick sind und was sie antreibt.
Clemens, Mitte 30, ist Sportlehrer an einem Gymnasium im 16. Bezirk und hat über dieses auch seinen Weg zu uns gefunden. In seiner Karenz möchte er nun auch die Ausbildung zum Radfahrlehrer für die Zielgruppe Erwachsene absolvieren, um ab September auch wochenends Eltern-Kind-Kurse für Schulterblick geben zu können.
Wie hat Schulterblick dein Leben, deine Welt, verändert?
Ich bin im Straßenverkehr aufmerksamer geworden, auch, was den neuesten Stand der Verkehrsregeln betrifft. Das ändert sich alle paar Jahre und über eine Ausbildung bekommt man einen neuen Blick darauf. Die meisten Leute, die bei Schulterblick arbeiten, haben eine Vorgeschichte mit Radfahren und auch ich bin viel in der Stadt unterwegs – ich fahre zum Beispiel jeden Tag mit dem Rad zur Schule, also zu meiner Arbeit, und zurück.
Ich versuche, das in der Ausbildung gelernte in meinen Unterricht einzubauen. Weniger das Radfahren an sich, sondern die Mobilitätsbildung – die ist ja als Fixpunkt im Lehrplan verankert. Ich probiere die Schüler:innen dazu zu motivieren, mit dem Fahrrad oder Roller in die Schule zu fahren. Während der Sportwochen in Altenmarkt im Pongau, wenn wir für alle Schüler:innen einen Nachmittag Fahrräder ausleihen, schauen wir uns zunächst das Eigenkönnen im Schonraum an und sind dann vorrangig auf Radwegen unterwegs – da spreche ich mit ihnen auch über das Fahren im Straßenverkehr.
Wie bist du zu Schulterblick gekommen?
Ein Kollege von der Schule hat mich, als ich angefangen habe, auf die Ausbildung aufmerksam gemacht. Anfangs hab ich mir nicht viel drunter vorstellen können, ich hab gedacht, das läuft über die Pädag (Pädagogische Hochschule Wien) und wird vielleicht ein bisschen ernst und streng. Dann habe ich gemerkt, dass es anders ist, eine Radfahrschule. Ich war als einziger Schullehrer dort und habe mit jungen Studierenden zusammen den Ausbildungskurs bestritten. Das war erfrischend – was Neues zu lernen in einem neuen Setting, es hat Spaß gemacht!
Welchen Bezug hattest du davor zum Radfahren?
In erster Linie habe ich einen sportlichen Bezug: Ich war früher Leichtathlet, also bin ich eher wettkampforientiert. Mir ging es darum, welche Distanzen ich zurücklegen kann – mein Rekord waren 160 km am Tag, da war ich 16 Jahre alt. Es war auch das erste Gefühl von Freiheit. Wenn man weiß, man kann diese Distanzen zurücklegen und braucht nicht Mama und Papa, die einen mit dem Auto fahren, das ist schon klass! Das habe ich früh für mich entdeckt. Das Mountainbike, dass ich damals fuhr, nutze ich heute als Stadtrad.
Ich bin in der Stadt aufgewachsen und mit dem Mountainbike im Waldviertel oder über die Alszeile in den Wienerwald gefahren. Mir ging es um die Freiheit von der Stadt, vom Verkehr in die Natur. Das ist auch heute noch mein Ziel. Das sind zwei unterschiedliche Sachen. Wenn ich in die Arbeit fahre, hat das einen praktischen Grund.
Die Gefahr war mir schon früh bewusst: Meine Ausfahrten habe ich von der Landstraße auf Radwege verlegt. Später ist mir aufgefallen, dass es in der Stadt mit dem Rad schneller ist, als mit den Öffis oder zu Fuß unterwegs zu sein. Davor habe ich versucht, den Stadtverkehr zu meiden. Eine Umstellung war das schon: Anfangs bin ich auch eher passiv gefahren – heute fahre ich aufmerksamer und aktiver im Verkehr. Der Führerschein hat mir dabei geholfen zu verstehen, wie Autofahrer:innen denken und schauen.
Je mehr Kompetenz man im Straßenverkehr hat, desto mehr Verständnis hat man für andere.
Was ist dir von der Ausbildung besonders in Erinnerung geblieben?
Der Schulterblick. Das ist ja auch bewusst so gewählt als Name der Radfahrschule.
Der Schulterblick ist wichtig als Kommunikationsmittel und um selbst den Überblick zu bewahren.
Wenn ich zurückdenke an Beinahe-Unfälle, sind die zustande gekommen, weil ich oder andere diesen Überblick nicht bewahrt haben. Das sollte im Straßenverkehr der Fokus sein, sonst kann es zu Missverständnissen und unangenehmen Situationen kommen. Das ist mir nochmal mehr ins Bewusstsein gerufen worden.
Nur weil man Dinge theoretisch weiß, heißt das nicht, dass man sie immer umsetzt. Darum braucht es Wiederholung und Erfahrung, bis das wirklich in einem drin ist – das ist wie gehen, es wird zu einem Automatismus.
Der grundsätzlich nicht angeboren ist. Man sagt, dass wir als Menschen mit dem Tempo beim Rad oder Autofahren überfordert sind und daher Fehler passieren. Darum ist es wichtig zu lernen, mit unserer Aufmerksamkeit mit dem Tempo mitzuhalten.
Was ist einzigartig an unserer Radfahrschule?
Dass jede:r Ausbilder:in individuell auf die Personen im Kurs eingeht. Dass es ein Format ist, das Freiraum lässt, persönlichen Erfahrungen mit einzubringen und ein wenig nach eigenem Stil zu machen.
Auch, dass vor und nach einem Kurs ein Gruppengespräch stattfindet, es einen guten Austausch gibt, unter uns Kolleg:innen. Das färbt auf die Kinder im Radfahrkurs ab, es herrscht eine gute Atmosphäre und ein respektvoller Umgang miteinander. Es gibt keine starke Hierarchie: Es wird darauf geschaut, dass jede:r zu Wort kommt, es allen gut geht. Das ist uns allen sehr wichtig. In anderen Jobs stehen oft Machtspiele im Vordergrund – das ist mir bei Schulterblick noch nicht untergekommen.
Was hat dich an der Arbeit als Radfahrlehrer überrascht? Was ist einzigartig an dem Beruf?
Man teilt den Verkehrsraum mit anderen Verkehrsteilnehmer:innen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten. Jede:r hat ein anderes Platzbedürfnis, Motivation oder Grundeinstellung, auf die man sich einstellen muss. Das kriegt man erst mit, wenn man den Straßenverkehr öfter mit dem Rad nutzt. Wenn man hin und wieder fährt, hat man mehr Respekt davor und denkt sich: Ich fahre doch lieber Straßenbahn. Das ist etwas, das man durchgehend regelmäßig trainieren muss: Wohin schau ich? Ein Gefühl für meine eigene Geschwindigkeit und die meines Gegenübers, für den Platzabstand haben – das sind Sachen, die uns nicht bewusst sind, aber immer mitspielen. Das finde ich spannend, dass man solche Dinge in den Kursen bis ins kleinste Detail durchspielt, zum Beispiel wie man abbiegt.
Einzigartig an dem Beruf ist, dass wir es draußen machen. Was Vor- und Nachteile hat: Wenn’s schön ist, ist es schön, wenn’s heiß ist, ist es heiß, wenn es regnet, regnet es und wenn es zu stark regnet wird der Kurs abgesagt. Für mich ist es ein Plus, weil es eine schöne Abwechslung zu anderen Berufen ist, die drinnen und im Sitzen stattfinden. Man ist in Bewegung, draußen, mit Kolleg:innen und arbeitet mit Gruppen zusammen. Das ist immer wieder ein spezielles, schönes Erlebnis. Grad wenn’s in Tulln ist, wo daneben die Donau fließt, ist das natürlich in erster Linie Arbeit, aber in einer ganz anderen Atmosphäre. Nett ist es, unterschiedliche Standorte kennenzulernen, wenn man die Möglichkeit hat. Das ist bei mir jetzt eingeschränkt durch die Zeit.
Warum fährst du Fahrrad und was hat sich verändert, seit du bei Schulterblick bist?
Früher fuhr ich in erster Linie aus dem sportlichen Aspekt. Jetzt nutze ich es, um ohne Auto oder Straßenbahn von A nach B zu kommen. Das hängt auch mit den Distanzen zusammen – in die Arbeit bin ich mit dem Rad am schnellsten.
Geändert hat sich, dass ich sicherer unterwegs bin. Dadurch dass man jemandem etwas beibringt, wird man selber geschulter. Das merke ich auch als Lehrer. Dass das Theoretische in Fleisch und Blut übergeht. Es gibt keinen Punkt, an dem man sagen kann, man hat ausgelernt, das ist ein ständiges Training. Auch, wenn ich mich jetzt sicher fühle, werde ich wahrscheinlich in drei Jahren rückblickend sagen, dass ich noch Fehler gemacht habe.
Was wünschst du dir fürs Radfahren im Straßenverkehr?
Was ich mir wünsche ist, was momentan versucht wird: dass Fahrräder mehr Platz bekommen. Was in Wien schwierig ist, weil es eine alte Stadt ist und dadurch manchmal der Platz fehlt. Es bedeutet natürlich immer, dass man andere verdrängt, wovon die Autofahrer:innen nicht begeistert sind.
Von der Mentalität merke ich, dass das für die ältere Generation etwas Neues ist. Vor 30 Jahren gab es nicht so ein großes Fahrradaufkommen und die Scooter verändern auch einiges. Da muss man ein Miteinander gehen und alle im Umgestaltungsprozess berücksichtigen, also ins Boot holen. Das wünsche ich mir und ich finde, es geht in eine gute Richtung. Das ist jetzt eine gesellschaftliche Notwendigkeit, dass man sagt, Radfahren hat viele positive Aspekte und wird in die bestehende Struktur integriert. Es wird sicher ein längerer Prozess werden, bis ausreichend Platz für Fahrradfahrer:innen vorhanden ist.
Was tust du, außer den besten Job der Welt auszuüben, sonst noch gern?
Ich interessiere mich grundsätzlich für viele sportliche Bewegungen. Ich nutze das Rad, um zu meinen anderen Sportarten, wie Klettern, Turnen oder Schwimmen zu kommen:
Es dient als Aufwärm-Übung, man kommt schnell an, man ist draußen. Es ist angenehmer als sich mit dem Auto von Box zu Box zu bewegen, man spürt die Sonne und den Wind, der einem ins Gesicht weht.
Neben Arbeit, Schulterblick und meinen Kindern versuche ich mich so gut wie möglich fit zu halten. – Da ist es wichtig, Alltagswege mit einer körperlichen Bewegung zu kombinieren.
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