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Premiere in der Schulterblick-Zentrale, Ende November: Erstmals laden wir ein, über das Team hinaus ins Gespräch zu kommen und einander zu begegnen. Anlass ist ein Projekt, dass zeigt, wie sich die Demokratie weiter entwickeln könnte: Bürger:innen Gehör verschaffen und zugleich Entscheidungsmacht übertragen.

Wo sonst Bürotische stehen, füllen Stuhlreihen den Raum. Vor den Fenstern zum Hof hängt eine Leinwand. Die Zentrale füllt sich. Nach der Vorstellung der Gäste heißt es: Film ab!

Guter Rat für Rückverteilung – ein Film über Demokratie

Im Auftrag von Marlene Engelhorn, Erbin aus dem BASF-Vermögen, diskutieren 50 Bürger*innen über die aktuelle Vermögensverteilung und entscheiden, wie 25 Millionen Euro – ein Großteil ihres damaligen Vermögens – umverteilt werden sollen. Ein achtköpfiges Moderationsteam begleitet sie über sechs Wochenenden. Zunächst erhalten die Teilnehmenden wissenschaftlichen Input, dann erarbeiten sie Themenfelder, an denen sie arbeiten wollen.

Am Ende herrscht Einigkeit: 50 Menschen haben 25 Millionen Euro auf 77 Organisationen und 80 Projekte verteilt. Diese 50 Personen bilden die österreichische Bevölkerung in ihrer Vielfalt präzise ab. Doch wie konnten sie sich einigen? Und wie wählten die Ratsmitglieder aus wer das Geld bekommt?

Wie funktioniert das?

Der Film ist zu Ende. Wow! Wir bauen um, lassen die Eindrücke ein paar Minuten sacken, dann beginnt das Gespräch mit den Gästen: Hanna Posch (Moderation Guter Rat), David Moser (Kamera & Regie), Kyrillos Gadalla (Ratsmitglied). Beatrice Stude (Schulterblick) moderiert. Es gibt viele Fragen, ein lebhaftes Gespräch entsteht.

Wie schaffen es so unterschiedliche Menschen, zusammenzuarbeiten und sich zu einigen? Wie fühlt es sich an, Teil des Prozesses zu sein? Und wie ist es, das Ergebnis der Öffentlichkeit zu präsentieren? Es ging nur mehr um das „Wie?“ und darum, was man für künftige Beteiligungen mitnehmen kann.

Die Notwendigkeit einer Umverteilung stand außer Frage. Der Film hatte die Ungleichheit eindrücklich und mit klaren Zahlen aufgezeigt: Seit 2008 gibt es keine Erbschaftssteuer mehr. Vermögensbezogene Steuern sinken seit Jahrzehnten. 1% der Menschen besitzen 50% des Vermögens, während die ärmere Hälfte Österreichs nur 3% besitzt. In den nächsten 30 Jahren werden 600 Milliarden Euro vererbt. 600.000.000.000 Euro! Jedes fünfte Kind lebt unter der Armutsgrenze.

Die Ratsmitglieder legten zu Beginn selbst die Spielregeln für ihre Zusammenarbeit fest. So konnten sie sich darauf berufen, wenn es schwierig wurde. Entscheidungen trafen sie im Konsent: Alle äußerten ihre Einwände und arbeiteten auf ein Ergebnis hin, das für alle tragbar war. Natürlich gab es herausfordernde Momente. Doch über die sechs Wochenenden lernten sich die Ratsmitglieder auch besser kennen. Die Treffen waren ausgewogen gestaltet: Plenumsdiskussionen wechselten sich mit Gruppenarbeiten ab, abends gab es Kamingespräche.

Auch die Expert:innen, die wissenschaftlichen Input lieferten, wurden vorab gebrieft und begleitet. So blieben ihre Vorträge verständlich und zugänglich.

Und wie filmt man so einen Prozess, ohne ihn zu stören oder den geschützten Rahmen zu verletzen? Der 25-minütige Film von David Moser zeigt es. Er war die ganze Zeit dabei, filmte die Diskussionen stumm, sprach mit allen Ratsmitgliedern und fing am Ende des Prozesses ihre Eindrücke ein.

Was bleibt?

Kyrillos Gadalla hatte zuvor nicht viel mit Erwachsenen gesprochen. Als jüngstes Ratsmitglied nahm er an der Pressekonferenz teil. Ein Lehrer seiner Schule erfuhr von seiner Teilnahme, hängte die Information im Lehrerzimmer aus, und so wurde der Gute Rat sogar im Matheunterricht thematisiert. Die genauen Auswirkungen des Guten Rates für Rückverteilung lassen sich nicht messen, doch das mediale Interesse war enorm: Neben ORF und Der Standard berichtete auch die New York Times.

Was lässt sich daraus für künftige Räte ableiten? Das Konzept funktioniert – mit guter Moderation, verständlichem wissenschaftlichem Input und ausreichend Zeit. Um die Vielfalt der österreichischen Bevölkerung einzubinden, waren vier Simultanübersetzer:innen nötig, darunter für die österreichische Gebärdensprache. Kinderbetreuung und ein erfahrenes Moderationsteam sorgten dafür, dass alle Ratsmitglieder mitwirken konnten. Die Mitglieder erhielten eine finanzielle Entschädigung für ihre Zeit. Intensive Öffentlichkeitsarbeit begleitete das Projekt. Die Durchführung des Guten Rates kostete rund zwei Millionen Euro, die Marlene Engelhorn als Auftraggeberin auch finanzierte. Die öffentliche Hand wird solche Summen wohl nicht aufbringen können.

Im Film fasst Alexandra Wang, Projektleiterin des Guten Rates für Rückverteilung, die Anliegen der Ratsmitglieder zusammen:

„Sie wollen eine gerechtere Gesellschaft. Sie wollen ein gutes Zusammenleben aller. Und sie wollen diejenigen unterstützen, die diskriminiert werden.“

Fazit vor Ort in der Schulterblick-Zentrale: Die Bürger:innen müssen nicht überall mit einem Rat mit entscheiden – aber dort wo sinnvoll, ist es den Aufwand wert. Denn Bürger:innen umfasst alle Menschen, die in einem Land leben – nicht nur die Staatsbürger:innen. Passend dazu sagt David, der Filmemacher, in der Schulterblick-Zentrale:

Es geht nicht nur darum die Demokratie die wir haben zu erhalten, sondern darum sie für uns weiterzuentwickeln.

Was einen erfolgreichen Bürger:innenrat ausmacht? Gehört zu werden und echte Entscheidungsmacht zu haben.

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